Malblockade – was nun?
Astrid Keimer / / Aktivitäten im Atelier, Allgemein, Inspiration und Tutorial, Malen / 7. April 2020
Ich freue mich, daß der Zuspruch für die Anregung zum Malen so positiv ausgefallen ist. Ich habe viele Mails dazu bekommen. Bei einigen sind Fragen zu ihren Bildern aufgekommen. Deshalb geht es heute darum, was zu tun ist, wenn es mit dem Bild nicht weitergeht.
Ich gebe gern Tips und stelle Euch auch gern meine Ideen zu eurem Bild zur Verfügung, ihr entscheidet dann selbst, was davon ihr ausprobieren möchtet. Schreibt mir also gern weiterhin.
Allein zu Hause malen ist ja nicht ganz dasselbe, als wenn wir zusammen im Atelier uns gegenseitig unterstützen. Wenn alles schief zu gehen scheint, ist immer noch jemand da, der eine rettende Idee hat, und es weitergehen kann. Manchmal fällt auch der Satz „ich nehme dir das Bild gleich weg, damit du es nicht verschlechterst“. Das kann dann auch eine gute Intervention von außen sein.
Ich habe einen Katalog mit Fragen zusammengestellt, die ihr selbst an euer Bild richten könnt, um euch Klarheit zu verschaffen, wo das Bild gerade steht, ob ihm etwas fehlt und wenn ja, was, wo, wie?
Am Besten ist es, wenn du ganz intuitiv und nicht zu kopflastig an die Bildbefragung heran gehst.
1. Stell´ dir vor, daß nicht du dein Bild gemalt hast,sondern eine andere Person.
Wie würdest du als Betrachterin das Bild beschreiben, wenn du nur davon sprichst, was du tatsächlich siehst?
Die Frage schafft eine Distanz zwischen dir und deinem Bild.
Du bist jetzt eine Betrachterin und nicht die Malerin.
Deshalb beschreibst du jetzt nicht , was deine Intuition oder Absicht war, es so zu malen oder was du gefühlt hast, als du es gemalt hast, sondern du beschreibst nur das, was auf dem Bild zu sehen ist.
Manchmal reicht das schon aus, um an den Punkt zu kommen, wie es weitergehen soll.
2. Was sind die stärksten visuellen Elemente in dem Bild und welche Teile im Bild treten in den Hintergrund, bzw. werden nicht wahrgenommen ?
Stell´ dir vor, im Bild herrscht eine Hirarchie. Manche Dinge sind dominant, manche sind weniger stark. Vielleicht ist eine Farbe zu bunt oder sogar aufdringlich. Soll die Farbe so viel Betonung haben? Prüfe, wie die anderen Farben darauf reagieren, läßt es sie blaß oder fahl aussehen, soll das sein?
Geben alle Farben zusammen ein stimmiges Ganzes ab? Filtere durch diese Fragen positive Aspekte heraus , bzw. zeigen sie dir auch negatives auf.
3. Gibt es etwas im Bild, daß Du auf keinen Fall aufgeben möchtest?
Oft passiert es beim Malen, was man einen „glücklichen Zufall“ nennt. Man ist über das Geschenk beglückt und malt nun immer darum herum. Glückliche Zufälle sind manchmal unübertroffen gut, besonders wenn sie am Ende des Malprozesses passieren. Aber meistens sind sie nicht der Schlüssel für ein gutes Bild.
Du glaubst, daß du das Bild „verschlimmbesserst“ , wenn du es übermalst. Oder das danach nichts Gutes folgen wird, und deshalb hälst du lieber an dem schönen Zufall fest. Aber manchmal paßt dieser Teil nicht zum großen Ganzen. Es ist besser, du gibst ihn auf zugunsten des Bildes. Dann heißt es „kill your darling“.
4. Wie wirkt das Bild aus einiger Entfernung? Gibt es etwas, was die Aufmerksamkeit eines Betrachters sowohl aus der Nähe,als auch aus einer gewissen Distanz wecken kann?
Das Bild mit Abstand zu betrachten, hilft immer. Das Erfassen des Ganzen fällt dann leichter, als wenn du direkt vor dem Bild stehst Du erkennst schneller, ob du deine Absichten auch gut realisierst hast.
5. Ist das Bild gut komponiert, stimmt die Komposition?
Ein gutes Bild hat immer eine gute Komposition. Aber was ist eine gute Komposition? Das würde ein weiterer Beitrag auf diesem Blog sein und sprengt hier den Rahmen.
Auch aus deinem Gefühl heraus kannst du sagen, ob das Bild zu statisch wirkt, zu gefällig, zu kompliziert, zu beliebig, zu flach, wie sind die Gewichte der Formen zueinander und wie sind sie platziert?
In einemguten Bild gibt es immer Spannung ( eine von vielen Regeln der Bildkomposition.) Damit ist gemeint, daß das Bild wie mit einem Expander gespannt ist.
Spannung entsteht zwischen Bildelementen , das sind Formen, Farben, Strukturen, Linien…. ( auch untereinander gemischt).
Prüfe, was deinem Bild fehlt: gibt es eine spannungslose Proportion oder ist das Bildformate zu gleichmäßig besetzt ( es ist ein Muster entstanden). Gibt es einen Schwerpunkt? Eine Korrespondenz zwischen den Bilddingen? Frage das in Bezug zu deiner Bildaussage.
Besteht eine Spannung zwischen Kontrasten ( hell/dunkel, groß/klein, transparent/opak, dünn/dick, nah/fern usw….oder fehlt sie?
Weiter gibt es eine Annäherungsspannung und eine Dehnungsspannung, hier die Beispiele dafür:
Die Annäherungsspannung und Dehnungsspannung kann wie in diesem Fall durch Farbe kreiert werden, aber auch durch verschiedene Elemente mit der selben Farbe. Käme ein drittes rotes Quadrat hinzu, geht die Spannung weg.
Prüfe, was in deinem Bild im Bezug zur Bildaussage fehlt und wie du es einbringen kannst.
6. Habe ich genug an dem Bild gearbeitet oder fehlt noch etwas?
Frag dein Bild ganz kindlich. Was möchtest du?
Soll ich etwas entfernen, daß nicht zum Gesamteindruck des Bildes wesentlich beiträgt? Sind die einzelnen Elemente aufeinander bezogen, oder „schwimmen“ sie noch zusammenhanglos im Bild? Gibt es eine durchgehende Idee und eine klare Absicht?
Prüfe nach, ob ein Element nicht in Konkurrenz geht mit Elementen, die deine Idee und Absicht unterstützen. Gibt es (dadurch) eine Kunfusion im Bild oder eine Doppelung, die nicht nötig ist?
Wird dein Blick durch die Anordnung der Bildelemente durch das Bild geführt oder gibt es irgendwo einen Bruch oder eine Störung? Soll das sein oder nicht?
7. Habe ich das Bild „ zugemalt“, ist weniger mehr?
Das Malen besteht aus Hinzufügen und wieder reduzieren. Erst kommt das dionysische und dann das apolinische! Du kannst prüfen, ob du zu viel übermalt hast, vielleicht auch das, was für den Kontrast und die Lebendigkeit nötig ist? Bringe erneut Highlights in das Bild. Du kannst einen Platzhalter aus farbigem Papier auf das Bild legen, um herauszufinden, ob noch ein neues Element hinzugefügt werden sollte.
Oder ist es andersherum, das Bild ist überfrachtet und wirkt schwer. Ist einfach zu viel im Bild gemal ? Wenn du nicht sicher bist, dann decke die Stellen mit der Hand oder einem neutralen Papier ab, um zu sehen, ob es übergemalt werden kann. Was ist mit einem leeren Raum, einem unvollständigen Anteil? Versuche, das Bild zu reduzieren, um es wieder zu öffnen. Das Bild soll wieder atmen können. Es läßt dem Betrachter die Möglichkeit zur eigenen Reflexion.
8. Wie interagieren Form und Inhalt in deinem Bild?
Als Künstler mußt du Entscheidungen über Form ( Materialien, Technik und Stil) treffen, die dem Inhalt deines Bildes zugrunde liegen ( die Idee oder das Gefühl, das du vermitteln möchtest )
Oder andersherum: Künstler müssen verstehen, was durch ihre Wahl von Materialien und Technik vermittelt wird.
9. Hast du die richtigen Farben benutzt?
Wenn Du eine bestimmte Stimmung transportieren willst, müssen dafür auch die richtigen Farben eingesetzt werden.
Z.B. entsteht ein typischer Novembermood nicht mit ungemischten Grundfarben und wenn du von einem Frühlingsbild denkst, hier stimmt etwas nicht, dann kann es sein, daß Du die falschen Farben gewählt hast. Es müssen kalte Farben sein. Mit warmen Farben entsteht keine Frühlingsatmosphäre.
4. Brauche ich ein bißchen Abstand von dem Werk?
Wenn du das Bild erst einmal wegstellst, in Ruhe einen Kaffe trinkst oder ein paar Tage etwas anderes machst, kannst du das Bild wieder ganz neu und frisch sehen.
Eine zweite Möglichkeit ist es, das Bild im Spiegel zu betrachten. Oder hänge es an einen Ort in deiner Umgebung, wo du dauernd vorbeigehst. Irgendwann fällt dir plötzlich etwas auf, und es kann weitergehen.
Wenn das Bild nichts mehr sagt, ist es fertig!
Denke immer daran, daß du Bilder nur für dich malst. Du bist nicht verpflichtet, Bilder zu malen, die jemandem gefallen.
Vielleicht hilft euch diese Bilderbefragung etwas weiter, wenn ihr im Malprozeß feststeckt. Aber wie gesagt, ich habe auch ein offenes Ohr und gebe auch in jedem einzelnen speziellen Fall hier Unterstützung.
Ich wünsche euch viele schöne Malstunden!
Danke, liebe Steffi. Mir macht es Spaß – und ich habe ja im Moment Zeit! Ist sicher noch verbesserungsfähig, aber ich fange erstmal an!
Super Anregungen, Astrid, das werde ich mir ausdrucken und bei meinen Problemen anwenden.
Vielen Dank für deinen BLOG