Arbeitest du mit Strukturmaterial auf dem Bild, dann bedeutet das Inspiration und Widerstand zugleich. Die reliefartigen Strukturen regen dich an,ihnen zu folgen,sie weiter zu formen und zu vervollständigen. Mit dem Widerstand des Materials gestaltest du das Bild.

Es entsteht eine Fläche mit plastischer Qualität.

Strukturmaterialien können wir uns selbst herstellen, zum Beispiel mit Marmormehl oder auch Materialien aus dem Bauhaus ( z.B. Haftputzgips). Wir können Sie auch fertig kaufen als Strukturpaste. Mit ihnen entsteht ein Eindruck der Bildoberfläche, der an etwas rissiges, krustiges, krümeliges erinnert, etwa wie Baumrinde oder marodes Gemäuer.

Als Untergrund eignet sich eine Holzplatte oder eine stabile Leinwand. Auch auf Papier kann man mit Marmormehl arbeiten, allerdings sollte die Strukturmasse auf dem flexiblen Papier nur dünn aufgetragen werden, da Papier als Träger eigentlich zu sensibel ist. Eine dicke Struktur kann schnell brechen auf dem labilen Untergrund.

Atelier Astrid Keimer

Eine  Holzplatte oder eine Leinwand wird zunächst mit Gesso (= Grundiermittel aus Kreide, Pigment und Leim) grundiert. Damit wird eine gleichmäßige Saugkraft des Malgrundes sichergestellt und die Struktur wird besser haften. Du kannst Gesso mit einem weichen Flachpinsel gleichmäßig auf den Untergrund auftragen, oder wie hier mit einer Schaumstoffrolle.

Gesso gibt es in Schwarz, Weiß oder Transparent.

Streiche das Gesso dünn auf, die Hauptsache ist, daß die Oberfläche rau wird. Wiederhole den Vorgang, wenn die erste Grundierung trocken ist. Erneut trocknen lassen. Jetzt kann das Strukturmaterial gut auf der Oberfläche haften.

Hier seht ihr die Wirkung hellen Untermalung ….

… und hier die einer mit schwarzem Gesso im Untergrund

Ich  bevorzuge eine Struktur aus Marmormehl und Acrylbinder, die Oberfläche wirkt damit natürlich und matt, denn es ist ein Naturmaterial. Im Gegensatz dazu sind die fertigen Strukturpasten meistens aus Vollplastik!

Das Marmormehl und der Binder wird in einem Gipsbecher aus Gummi ungefähr im Verhältnis 2 Teile Marmormehl zu 1 Teil Binder gemischt. Das Gemisch wird mit einem Japanspachtel gut verrührt. Du kannst  kleine Klümpchen behalten und sie als interessantes Element in der Spachtelmasse sehen, oder du nimmst einen alten Pürierstab und erhälst damit eine feine, glatte Spachtelmasse. Sie sollte nicht zu breiig sein, sondern schwer vom Spachtel fallen. Je fester die Masse ist und je dicker der Auftrag wird, um so mehr Rissbildung wird es geben.

Beim Verteilen und Gestalten der Strukturen benutzt du am besten den Spachtel, für kleine Flächen und Feinarbeiten eignet sich ein Palettmesser oder Malmesser .

Wenn der Untergrund des Bildes vollkommen getrocknet ist, kippst du das angerührte Marmormehl-Acrylbinder-Gemisch  drauf und verteilst die Masse.

 

Dann beginnt ein sehr freies, intuitives Tun. Das Bild ist wie dein Spielfeld, in dem du dich vortastet, ohne im einzelnen zu wissen, wohin dich das, was du tust, führen wird. Nichts von dem , was anfangs entsteht, muß endgültig bleiben. Vielmehr gehst du spontan vor. Die sich ergebenden Strukturen provozieren  nächste Schritte. Es ist wie ein Frage-und Antwortspiel. Hier kommt etwas Material hin, dort nimmst du etwas weg, dann verstärkst du das Materielle, streichst  es an einigen Stellen etwas glatter, etwas Neues kommt hinzu….. und immer so weiter! Manchmal sind es ästhetische Gründe, die dich führen, manchmal aber auch gegenständliche , die du nachempfinden möchtest.

Es geht um dynamisches Bewegung, Werden , Hinzufügen, Wegnehmen und  Wachsen.

Schichten in unterschiedlichen Höhen entstehen und erzeugen nicht nur eine optische Tiefe, sondern auch den Eindruck von einem „Innen“ und „Außen“.

Zwischentrocknungen ermöglichen kräftigere plastische Qualitäten und vermitteln räumliche Eindrücke. Du kannst dann über die getrocknete Struktur noch einmal Marmormehl aufbringen, aber auch andere Strukturmaterialien ( das beschreibe ich im nächsten Blog – hier ausschließlich  Marmormehl )

Zwischendurch oder am Schluß können auch immer noch Markierungen in das Marmormehl eingedrückt oder eingekratzt werden. Dafür eignen sich spitze Gegenstände wie Nägel oder Tonschlingen ( Töpferei), Zahnspachtel und diverse Küchenutensilien.

Auch Materialien wie Wellpappe, Stoffe , Gestrüpp etc. können in die Masse eingebettet werden.

Hier z.B. Stroh, Rupfen und ein Fundstück:

Ist die Struktur fertiggestellt, legst du das Bild zur Seite und läßt es trocknen. Ich lasse es lieber an der Luft von allein trocknen, das dauert ca. 1 Tag, je nach Wetterlage.

Eiligere nehmen einen Fön.

Noch ein Tip: verlängere die Strukturmasse nicht mit Wasser. Wenn du sie etwas geschmeidiger haben möchtest, nimm mehr Binder. Durch Wasser wird die Struktur weniger haltbar. Vor allem, wenn du mit einem sehr flüssigen Farbauftrag arbeitest, besteht u.a. die Gefahr, daß die Struktur dann aufweicht.

Dein trockenes  Bild überzeugt jetzt durch die spannende Oberfläche.
Weiter  geht es  mit Farbe!

Farbe und Material sollten zusammen ein vollkommenes Ganzes ergeben.

Wahrscheinlich möchtest du so wie ich auch , daß die Struktur sichtbar bleibt. Auch die feinen Risse und Krater in den Materialschichten   sollen erhalten bleiben.
Wenn du jetzt eine unverdünnte Acrylfarbe darüber streichst, dann sind diese ausgeprägten Strukturen abgedeckt und weg!

Besser ist es, die Acrylfarbe mit Wasser zu verdünnen. Du kannst dir aber auch mit Pigmenten eine Acrylfarbe mit entsprechender Konsistenz anrühren oder du benutzt Ölfarbe ( ein Thema für einen nächsten Blogbeitrag).

Hier soll es jetzt um Acrylfarbe und selbstangerührte Pigmenten auf Acrylbasis gehen.

In den Beispielfotos  habe ich die getrocknete Marmormehlstruktur mit dem Acrylbinder pur und dünn mit einem weichen Pinsel überstrichen. Damit habe ich das Marmormehl abgesperrt, d.h., die Farbe kann jetzt nicht mehr in das Marmormehl eindringen und ist jederzeit von der Acrylbinderscbicht wieder abwaschbar. Manchmal, wenn ich kräftigere Farben haben möchte, benötige ich den „Zwischenfirnis“ nicht. Im Übrigen ist die Farbe auch ohne diese Maßnahme gut wieder vom Marmormehl abzuwischen oder abzuschmirgeln. Du musst es ausprobieren, was du gerade brauchst, sowie die ersten Bilder immer den Versuchen gewidmet sind. Oftmals führen  gerade auch „Fehler“ zu unerwarteten tollen Ergebnissen im Bild.

Im folgenden  Bild habe ich zuerst schwarze Acrylfarbe, leicht verdünnt, eine sogenannte Lavierung  deckend über das gesamte strukturierte und mit Binder grundierte Bild aufgetragen.

Im zweiten Schritt nehme ich die noch nasse Farbe vorsichtig und ohne Druck mit einem Mallappen wieder ab. Dabei lasse ich die  Farbe in den Rissen und diversen Vertiefungen stehen.

Das Bild hat jetzt dunkle Tiefen und helle Oberflächen.

Mit einer wasservermischten  Acrylfarbe  und einem relativ trockenem Pinsel arbeite ich nun weiter. Für die weiteren Farbschichten braucht man nur sehr wenig Farbe. Die mit Wasser verdünnte Acrylfarbe vermalen ich  mit dem Pinsel oder schütte die Farbe  über die Struktur, dabei entstehen Rinnspuren und Zufälliges. Das überschüssige  tupfe ich mit dem Lappen oder einem Schwamm wieder weg.

Die einzelnen Farbschichten sollten trocken sein, bevor ich eine weitere Lavierung vornehme, sonst vermischen sich die Farben. Das positive an der Acrylfarbe ist, daß sie relativ schnell trocknet. So entstehen wundervolle Mischtöne und Farbverläufe.

Achte darauf, dass Farbaufträge machst, die auch die Struktur unterstützen und sie präsent bleiben läßt. Unter vielen bunten Flecken könnte die Struktur untergehen. Die Stofflichkeit und die Farben sollten sich zusammen zu einer homogenen Qualität vereinigen.

Für mich passen zu der rissigen und morbiden Oberfläche Farben, die mit Schwarz und Weiß  gebrochene wurden, wie etwa Ocker, Graublau und Rotbraun-Töne , die ich meißt  transparent auftrage. Immer darauf bedacht, daß die Struktur sichtbar bleibt und gemeinsam mit der Farbe wirkt.

Noch besser als Acrylfarben sind allerdings Pigmente.

Die  Acrylfarbe so, wie sie fertig zu kaufen ist, ist mit einem Füllstoff verschnitten. Meistens handelt es sich um ein synthetischen Verdickungsmittel. Das macht die Farbe weniger transparent und kann sie sogar vergrauen. Ausserdem setzt die pure Acrylfarbe die Struktur schnell zu, also man kann sie schnell übertünchen. Es wäre schade, die ausgeprägten Strukturen auf diese Weise abzuschwächen, deshalb verdünne ich sie mit Wasser. Am Besten nach Gefühl….

Pigmentfarbe ist wesentlich brillanter und farbintensiver als Acrylfarbe. Wenn du dir  die Farbe selbst mit Pigmenten und Binder anrührst, dann malst du mit der purem Farbe.
Du kannst als Binder einen fertigen Acrylbinder kaufen. Den brauchst du als Kleber. Wenn du nur Wasser als Bindemittel nehmen würdest, trocknet das Wasser auf und das Pigment rieselt wieder von dem Bild herunter. Ich mische zu dem Pigment immer soviel Acrylbinder, daß die Farbe eine Konsistenz von flüssiger Rahmsahne bekommt.

Es gibt viele Möglichkeiten, Pigmente zu binden. Du  findest jede Menge Rezepte im Internet. Ich mache es mir hier mal einfach und nehme den fertigen Binder von GUARDI ( z. B. von  boesner).

Man kann auch Pigment mit der Acrylfarbe mischen, um die Farbintensität zu erhöhen. Oder die Pigmente über die Acrylfarbe einsieben und einsickern lassen. Aber achte darauf, den Feinstaub nicht einzuatmen. Wir sind ja inzwischen Masken gewohnt, hier ist der Einsatz auch sinnvoll.

Es gibt Pigmente, die sich nicht so schnell mit dem Binder vermischen, dann nehme ich einen Tropfen Dispergiermittel dazu, z. B. OROTAN 731 K von der Fa. KREMER Pigmente. Oder ich sumpfe die Pigmente über Nacht ein.

Über Pigmente, Eitempera und Ölfarben mehr in einem naechsten Blog Eintrag! Zum Einstieg reichen diese Infos aber vollkommen aus.

Du kannst die Farbe mit einem Pinsel vermalen oder mit einem Tuch einreiben und auch wieder abnehmen. Bringe die Farbe in die feinsten  Strukturen  und wischte die Oberflächen wieder frei mit dem Lappen. Man kann flächig und großzügig arbeiten, aber je weiter der Arbeitsprozess fortgeschritten ist, stehen auch differenzierter Arbeiten mit einem weichen Pinsel an, die dann  präzise durchgefuehrt  werden.
Hier der Beginn einer Arbeit: Das trockene Marmormehl wurde mit Acrybinder dünn grundiert ( abgesperrt), nach dem Trocknen wird Van-Dyk- Braun mit einem Pinsel aufgetragen ( nicht zu viel aber überall, auch in die Vertiefungen – nur Mut! Danach die Oberfläche mit einem Lappen wieder frei putzen! D.h., die Farbe wieder abtragen, nur in den Vertiefungen bleibt sie stehen. Hier seht ihr den Vorgang:

Atelier Astrid Keimer

Du kannst  zusätzlich z. B. Beize und Tuschen benutzen oder auch Sände oder Asche einsieben, alles mögliche , was sich in die Struktur einarbeiten lässt ist geeignet.

Work in progress: mit Marmormehl, Champagnerkreide, Asche und Wallnussbeize

Acrylfarbe, noch feucht, mit einem Sieb ausgestreute Asche eingearbeitet – noch unfertig!

Strukturmaterialien sind aber nicht nur für abstrakte Bilder gut, sie unterstützen auch Gegenständliches, wie hier z.B. den „Olivenbaum“. Ein Ausschnitt:

Du merkst sicher schon, es gibt immer neue Ideen – probiere einfach alles aus, experimentiere und lass dich überraschen. Die besten Ergebnisse entstehen häufig ungeplant und per Zufall.

Ich wünsche dir ganz viel Spaß mit Strukturen durch Marmormehl und Co.
Wenn Du fragen hast oder noch nähere Infos brauchst, lasse gern eine Mitteilung hier und wir können gemeinsam eine Lösung finden.

Wem jetzt die Ideen für Strukturen fehlen, gebe ich den Tip, sich in der Natur umzusehen:

Kommentare (4)

  • Liebe Anna, ich arbeite immer mit Marmormehl in Acrylbinder, das ich, wenn ich es sehr fein und glatt haben möchte, mit einem Pürierstab klümpchenfrei mache. Davon kannst du mehrere Schichten aufeinander legen. Immer Zwischentrocknen lassen. Allerdings habe ich noch nicht dickere Schichten als 1-2 cm mit Marmormehl auf das Bild gebracht. Aber warum sollte das nicht gehen. Ausprobieren! Du kannst auch aus dem Bauhaus Haftputzgips nehmen, damit kann man dicke Schichten anlegen. Berücksichtigen mußt du, daß das Bild dann sehr schwer wird. Fertige Strukturpasten habe ich noch nicht benutzt und kenne mich leider nicht aus. Viele Grüße, Astrid

  • Hallo Astrid,

    vielen Dank für deinen Beitrag. Mich würde interessieren, wie ich eine Strukturpaste anrühren kann, rissfrei bleibt und welche ich auch dicker, als einen cm auftragen kann. Ich habe selbst bereits Versuche gemacht, die rissfrei geblieben sind. Allerdings ist die Paste max. 1 cm hoch gewesen und zu cremig. Vielleicht hast du ein paar Tipps?
    Viele Grüße,
    Anna

  • Hallo Katrin, danke für deine Rückmeldung. Ich bin gerade dabei, das neue Programm für 2022 zu schreiben. Es wird demnächst hier veröffentlicht. Vielleicht ist etwas für dich dabei . Herzliche Grüsse, Astrid

  • Tolle Zusammenfassung, Astrid. Vielen Dank. Es hat sehr viel Spaß gemacht und meine Motivation wieder neu geweckt. Hoffe, wir können bald mal wieder im Atelier zusammen weitermachen.

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